Besondere Tisch–Ereignisse
19:06 Uhr
"Der Oper neue Kleider" in 3 Akten, 2. Akt "Euphorie"
Fortsetzung v. 01.05.2019
Was geschah gleich noch im 1. Akt „Die Idee“ (Besonderes Ereignis 1. Mai 2019)?:
Was wird aus dem Opernhaus, so fragte sich ein (kleiner) Ausschnitt unserer Stadtgesellschaft vor nunmehr gut zwei Jahren: Abriss? Anbau? Neubau? Wenn letzteres, an welchem Ort?
Noch ist sie nicht gestorben, steht unverändert, die Deutsche Oper Am Rhein,
die baulich und innentechnisch "marode" Hochkulturstätte.
„Form Follows Function“ gilt weltweit seit dem (Bibel-)Bau des Turms von Babel – nur nicht in Düsseldorf, wo man anscheinend eher den auswärtigen Ruf der Stadt bestätigen möchte, es komme mehr auf die Hülle als auf den Inhalt an, Hauptsache teuer anzusehen.
Kam zu diesem Fazit: Erst wenn sich Entscheider, Kenner, Genießer und Gestalter ernsthaft auf eine wahrscheinliche Entwicklungslinie („function“) für die Zukunft der Oper der nächsten 50 – 100 Jahre als Musikform, als Teil des öffentlichen Lebens und als Räumlichkeit verständigt haben werden, kann entschieden werden, wie und dann auch wo die äußere Form realisiert werden soll.
2. Akt "Euphorie"
1. Aufzug
Stimmung wie in Verdis „La Traviata, 1. Akt, Fröhliches Fest bei Violetta“, Mai bis Juli 2019 Forum Neue Oper: "Düsseldorf braucht nicht weniger als ein multifunktionales Opernhaus! Für alle!" fordert schwärmerisch Alfred, pardon Prof. Christoph Meyer, Generalintendanten der Oper:
" - Neubau 203+ stellt Weichen für eine Zukunft Düsseldorfs als Opernstandort und Kulturstadt
- Opernhaus 203+, neues Wahrzeichen Düsseldorfs, attraktiver, urbaner Treffpunkt für eine heterogene Stadtgesellschaft, attraktive Destination für den internationalen Kulturtourismus.
- Opernhaus 203+: Offen, transparent und einladend, ein nahezu rund um die Uhr geöffnetes, lebendiges Haus
- Opernhaus 203+: Attraktive Architektur, flexibles Raumangebot, moderne Bühnentechnik für hochkarätige Oper und Ballett, breite gesellschaftliche Öffnung von Gebäude und Kunstform
- Opernhaus 203+: Kreative und gastronomische Angebote, die Junge Oper, Workshops für Schulen, Lunch-Konzerte, Ausstellungen und vieles mehr lassen das Haus tagsüber vibrieren; urbaner Schmelztiegel der Künste
- Opernhaus 203+: Ermöglicht neue Flexibilität und Vielfalt eines Spielplans, bei dem die Öffnung Programm sei, sodass Opernhaus 203+ zentraler Treffpunkt der Bürgerinnen und Bürger werden würde."
Leuchtendes Beispiel für ein modernes multifunktionales Haus sei die neue Oper in Oslo - die sich allerdings im eigenen Internetauftritt als reine Oper präsentiert, ‚multifunktional‘ nur das 24-stündig geöffnete Foyer und das - weltweit einmalig – begehbare Operndach. Uiih!
2. Aufzug
Musik wie Verdi, nun „Nabucco“, 3. Akt: Chor, pardon, die städtische Projektgruppe Oper schmettert „Va pensiero, sull’ali dorate, Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen“, zu Prof. Meyers Vorgaben mit konkreten Vorschlägen zur Umsetzung beauftragt, versäumt aber, nach immerhin 2 Jahren, leider die inhaltliche Vertiefung der Schlagzeile „Eine Oper für alle! Eine Oper, die Zeichen setzt! Eine Oper, die nicht nur Oper ist".
3. Aufzug
Musik nach „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blütenträume blühen“ (Eliza in „My Fair Lady“), der gern zitierte Bilbao-Effekt findet Eingang in die Diskussion. (s.u.), weckt Erwartungen für einen jährlichen Millionen-Touristenstrom (Rolly: „Die Chinesen kommen!“)
4. Aufzug
Musik wie Beethoven Ende 2. Akt „Fidelio“: Trompeten erschallen, die Menge jubelt: Florestan, pardon der frisch gewählte Oberbürgermeister Dr. St. Keller verkündet, die Rolle wechselnd: „Da ich nun Prinz bin von Böotien, bau ich ein neues Opernhaus, weltformatig hoch hinaus – und in jedem Falle ‘ne Oper für alle!“ (aus „Orpheus in der Unterwelt“, J. Offenbach)
5. Aufzug
Dass sich die Düsseldorfer Jonges zu Wort melden würden, lag auf der Satzungs-Hand. Wagners Musik aus „Die Meistersinger von Nürnberg“, 3. Akt („verachtet mir die Baase nicht!“), begleiten Baas' Rolshovens pro und Vizebaas' Juli contra im „TOR 07/2021“: Rolly mit den stadtgängigen Argumenten und der verblüffenden Ansicht "Rollenteilung zwischen der alten Oper im klassischen Sinn und einem modernen Musiktheater schaffen, dazu sind internationale Architekten aufgerufen, um im internationalen Ranking bedeutender Spielstätten vorne zu sein", Sebastian (möglicherweise auch nur als advocatus diaboli?) hingegen fürchtet „Eine neue Oper wird von vielen nicht als ‚Leuchtturm‘, sondern als Monument des kulturellen Hochmuts wahrgenommen".
„Den Bürgern in den nächsten Jahren eine Milliardeninvestition in ein Gebäude der Hochkultur zu vermitteln, dürfte schwierig werden“, souffliert die FAZ mit Verweis auf die Haushaltslagen nach Corona
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Musikbegleitung düster
Exkurs zum deutschen kommunalen Hochkulturbaugeschehen: Eine 2-seitige Liste der FAZ führt 13 kommunale, derzeit umfassend sanierungsbedürftige Spielstätten (Opern, Schauspiel) im aktuellen, nach oben offenen Gesamtinvestitionsvolumen von ca. 5,5 Milliarden Euro auf. Hinter Stuttgart (950 Mio.), Frankfurt (900 Mio.) und Köln (derzeit bei 900 nach zwischenzeitlich 600 nach ursprünglich genehmigt 260 Mio. € nur für die Generalsanierung der Innentechnik!) folgt Düsseldorf (700+ Mio. Euro).
An die ‚Formel‘, nach der sich die Kosten kommunaler Großbauten leicht auf das Zwei- bis Dreifache der ursprünglichen Genehmigungssumme entwickeln (Stichwörter: politisch niedrig beantragen; nachträgliche Änderungen; Nachträge der Bauausführenden) mag man schon gar nicht denken.
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Musikbegleitung ein Potpourry aus spanisch-französisch-deutsch-dänisch-norwegischer Nationalhymne
Exkurs zum „Bilbao-Effekt": Mit dem Gehry-Bau des Guggenheim-Museums entledigte sich Bilbao seines Rufs als graue nordspanische ‚Ruhrgebietsstadt‘, wurde Anziehungspunkt für jährlich 1 Million Besucher, davon 60 % Ausländer (hiesiger Gedanke: müsste doch auch für Düsseldorf machbar sein). Nun, zum einen ist ein Museum für Moderne Kunst ein anderer Magnet als ein Opernhaus. Vor allem aber wird bei hiesigen Hinweisen auf diesen Effekt übersehen oder ausgeblendet, dass dies eng mit einer Einbindung in eine über ein Einzelbauwerk weit hinausgehende und ein Mehrfaches kostende städtebauliche Weiterentwicklung verknüpft wurde. Gern genannte Beispiele:
- Oslos gemäß ihrem Internetauftritt reine Oper mit allenfalls minimaler Multifunktionalität (24 Stunden geöffnete Lobby, begehbares Dach) löste bislang keine entsprechende Steigerung internationaler Besucherzahlen aus, wohl aber das Entstehen eines neuen Stadtteils, , mit 5.000 Wohnungen. (PS 10/2021 Eröffnung nebenan des neuen, architektonisch nicht unumstrittenen Munch-Museums, das "majestätisch im Fjord direkt neben der Oper thront" - ein spektakuläres Ensemble)
- Kopenhagens Oper, ebenfalls 'nur' Oper, mit ähnlichem städtebaulichen Effekt (Sondersituation: Opernbau = Geschenk eines örtlichen Mäzens)
- Hamburgs reines Konzerthaus „Elphie“, langfristig auf dem Wege zur Rentierlichkeit, Leuchtturm der Speicherstadt mit 10.000 Wohnungen, Büros, Geschäften, Hotels… - wenn auch eher zufällig aufgrund der langen Verzögerungen
- Valencias von Calatrava entworfene tolle „Stadt der Kultur und Wissenschaft“ mit gleich 5 mondänen Leuchttürmen (dadurch Multifunktionalität) für einen neuen Stadtteil
- Arles, neu im Reigen, mit Gehrys Turmmuseum für Moderne Kunst als Leuchtturm eines neuen Künstler-Stadtteils LUMA, künftig eines der „größten Kulturzentren der Welt“ (Eigenwerbung) außerhalb der römisch-antiken Stadt (Besonderheit 1: Stiftung einer Schweizer Mäzenin, Besonderheit 2: Museum zum Baupreis von nur 150 Mio. Euro realisiert.)
- Retro in den 50-iger Jahren das Lincoln Center For The Performing Arts N.Y. als Teil der Entwicklung von Lower Manhattan („slum clearance act“)
- Nur erwähnt, wegen der erschlagenden Dimensionen nicht vergleichbar: Abu Dhabis entstehender „Kulturbezirk“ auf der Insel Sa’adiyat mit weltweitem touristischen Anspruch ähnlich Valencia und einer städtebaulichen Komponente für ca. 125.000 neu anzusiedelnde Bewohner, Hotels…, Budget ca. 35 Mrd. Dollar. (Jeweils 1/10 davon wäre mein Vorschlag für den Düsseldorfer Stadtteil "Schöne Künste im Hafenquartier).
Wer für unser Neues Opernhaus den „Bilbao-Effekt“ reklamiert, sollte also nicht über einen einzelnen „Leuchtturm mit Weltformat“, ein einzelnes Opernhaus gleich welcher Funktionalität sprechen, sondern über einen großen Wurf. Größenwahnsinn? Warum eigentlich nicht, wie zum Beispiel von Lit in TOR Nr.08/2021 für Düsseldorfs Hafengegend taggeträumt? Was Bilbao kann…
Wer große internationale Touristenströme anziehen will, muss mehr bieten als ein neues Opernhaus „für alle Bewohner der Stadt“! Dann ist ihm der Jubel des Volkes gewiss – musikalisch begleitend die Krönungsszene aus Prolog „Boris Godunow“, Mussorgsky
meint jedenfalls Euer
Opernhaus-Lit Quijote
im Kampf gegen städtische 3.-Schritte-vor-dem-ersten-Schritt-Windflügel
Fortsetzung Zwischenspiel 29.07.2021