Besondere Tisch–Ereignisse

Wie man per heute Jonges gendergerecht adressiert
01.04.2019
00:01 Uhr

Wie man per heute Jonges gendergerecht adressiert

 

Die Gender(*/_:)beauftragte der Stadtverwaltung Düsseldorf, Dezernat VI b Amt für Vereinendewesen, teilt 'i. A. Oberbürgermeisternd' am 01.04. 2019 mit:                           

"Mit heutigem Datum und Wirkung ab 00:01h gilt die folgende, unten exemplarisch am Beispiel der Düsseldorfer Jonges dargestellte gender(*/_:)gerechte Schreib- und Sprachregelung für alle mehr als 12 Mitgliedernde umfassenden Düsseldorfer*/_: Vereinende der Singenden, Schützenden, Reitenden, Reitend Schützenden, Segelnden, Yachtenden, Rudernden, Künstelnden, Tiere-aller-Art-Züchtenden, Ballsportenden, alles-Mögliche wie Briefmarken-Sammelnden, heimatfreundelnden (die Aufzählung ist beispielhaft, nicht abschließend zu lesen!). Ausspracheschulung zu den Sonderzeichen zunächst für Baasende, Vorsitzende, Präsidierende und deren Sprechende heute ab 12:00 Uhr in der Willy(*/_:)-Becker(*/_:)-Allee 6-8, Bürger(*/_:)amt, Stockw. 01/04, Dezernat VIb.                                    Etwaige, prinzipiell unerwünschte Einsprüche hiergegen werden in der Reihenfolge ihres Eingangs zeitgleich mit ihrem Eingang abgewiesen.      Zuwiderhandlungen führen auch zur automatischen Löschung aus dem Düsseldorfer Vereinenderegister".

Beispiel:

"LIEBE JONGES, JONGINNEN UND JONGES, JONGES/JONGINNEN, JONGES_INNEN, JONGES*INNEN, Jonges:innen DES TISCHS WIRTSCHAFT, LIEBE HEIMATFREUNDE, HEIMATFREUNDINNEN UND HEIMATFREUNDE, HEIMATFREUNDE/INNEN, HEIMATFREUNDE*INNEN, HEIMATFREUNDE_INNEN UND LIEBE IN DIESER AUFZÄHLUNG NICHT ERFASSTE!"

 

Diese strafbewehrte, nach Jonges-Geschäftsstelleneingang leicht präzisierte Anordnung vom 1. April 2019 führt tischintern zu der ungläubigen Reaktion:"Wie? Wir sind doch ein Männerverein!" Nee, Leute, so einfach ist das nicht (mehr), fragte doch schon H.Grölemeyer lautstark "Wann ist ein Mann ein Mann?". Antwort darauf gab inzwischen bekanntlich unser pflichteifriger Gesetzgeber, der dem physischen (definiert durch das, was man hat an unterscheidenden Geschlechtsmerkmalen) Geschlechtsbegriff nun einen quasi psychischen für das dritte, vierte etc. Geschlecht hinzugefügt sehen möchte: Was man zwar hat, aber so lieber nicht hätte, oder zwar nicht hat, aber lieber hätte, oder beides oder beides nicht - allgemeiner, wie man sich selbst geschlechtlich einordnet. Übrigens: Augenscheinnahme reicht nicht mehr für eine genderkorrekte Bestimmung! Und der Trump-("myPussy")-Grifftest im Schritt  ist allein ihm vorbehalten - würde sich dienstäglich im Henkelsaal auch nicht gut machen, weil a) umständlich und zeitraubend bei 600 anwesenden Jonges und b) zu eventuell peinlichen Mißverständnissen Anlaß gebend.

 

Von obiger per interner Mail an alle@tgwirtschaft weitergeleiteten Begrüßungsformel aufgeschreckt, reagierten Wirtschaftstischfreunde zu dem Thema ganz unterschiedlich: Von durchgängig ungläubig oder diogenesisch ("geht mir aus der Sonne mit dem Quatsch") oder resignativ ("Thema abhaken, auf sachgerechte Sprachargumente hört doch keiner") oder eher legalistisch/ die Gesetzgebung mit dem "dritten" Geschlecht sei das Problem*) über kritikzustimmend ("ganz meiner Meinung; wunderbar") bis zur klassisch sokratischen Prägnanz ("Oh meine Freunde, liegt denn wahrlich, beim Zeus, nicht in der Überspitzung Erkenntnis?"). Ist sie nicht immer wieder beeindruckend, die Meinungsbandbreite an unserem Tisch?

*) Nachtrag 2021: Mit der legalistisch-rechtlichen 'Notwendigkeit' zu dieser Schreibweise hatte Sebastian aus seiner Sicht als Rechtsanwalt für den Verein die *-Schreibweise begründet. Dem hat man ja als Laie oft nichts entgegenzusetzen. Doch liest man nur geduldig genug weiter, hilft schon mal die FAZ bzw. deren Leserbriefschreiber, wie hier mit ganz gegenteiliger Sicht am 16.04.2021, S. 20, ein Vorsitzender Richter an einem OLG i.R.: "... dass jedenfalls der Genderstern von der geltenden Norm nicht gedeckt ist und dass städtische Verwaltungen und der Deutsche Bundestag, soweit sie vom amtlichen Regelwerk, das den sog. Genderstern nicht kennt, abweichen, absichtlich falsch schreiben, ... es sich also um rechtswidrigen amtlichen Schriftverkehr handelt. Dies könnte für die handelnden Personen [sogar] dienstrechtliche Konsequenzen haben. Soweit daraus gesonderte Kosten anfallen, dürfte zudem eine strafrechtlich relevante Untreue in Betracht kommen.... Für eine private verwaltungsrechtliche Klage kann eventuell das Fehlen  einer persönlichen Betroffenheit durch die Verwendung des sog. Gendersterns problematisch sein. Möglicherweise deshalb haben nicht schon längst gerichtliche Entscheidungen den Stern zum Verglühen gebracht.". Die schönsten Realsatiren stammen oft aus juristischer Feder - da staunen der Laie und der Lit(erat).

Basis dieser ruherichterlichen Schlußfolgerung: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags v. 27.02.2020 (also nicht wie oben 1. April), Az. WD 10-3000-001/20: "1.Vorbemerkung Der Sachstand stellt das Verfahren dar, das dazu führt, dass bestimmte Schreibweisen rechtsverbindlich werden. Ferner stellt er dar, inwieweit und für wen die so für rechtsverbindlich erklärte Schreibweise gilt.... 6. Fazit 1. ... 2. Beamte und Angestellte des Bundes und der Länder haben im amtlichen Schriftverkehr das Regelwerk „Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis“ zu beachten. 3. Das Regelwerk „Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis“ ist auch für die Normsprache verbindlich." Es gilt dafür unverändert der Erlass des Bundesministeriums des Innern v. 07.06.1999, der die Rechtschreibreform im amtlichen Schriftverkehr - ohne Genderstern etc. ! - bis heute verbindlich macht.

 

Hier abschließend stellt sich womöglich dem einen und anderen auch die Frage - unter so mancher weiteren - ob geschlechtlich nicht eindeutig Definierte, also  eine verschwindende Minderheit unserer Bevölkerung  (zumeist mit einem Anteil von vielleicht 0,0125 bis 0,125 % geraten, nicht erhoben), eines solchen gesetzgeberischen Aufwands mit derart negativer Schreib- und Sprechwirkung bedürfen oder ob sich für diese wenigen bzw. für den vermutlich noch kleineren Teil derer, die das wirklich so gekennzeichnet wünschen, individuelle Regelungen und Formen*) der Adressierung finden lassen, die in freundlicher und würdiger Form ein Anderssein erfassen? 

*)z.B. in der Fußzeile öffentlich-rechtlicher Schreiben einen vorgedruckten Hinweis etwa der Art vermerken: „Sollten Sie als Adressat dieses Schreibens/Vorgangs zum Kreis der intersexuellen Menschen gehören und auch so adressiert zu werden wünschen, dann lassen Sie uns bitte für den weiteren Schriftverkehr wissen, wie wir Sie anreden dürfen.“ Wäre schließlich nicht das einzige vorgedruckte behördliche Angebot, sich zu einem Sachverhalt zu äußern... 

Und angesichts der Hauptschlagzeile auf S.1 der Rheinischen Post am 10.04.2019 "2018: Staat fragt 800.000 Bankkonten ab", sollte eine solche Individualisierung doch DV-schreibtechnisch machbar sein.

 

Wenn man den guten Willen an die Stelle ideologischen Impetus' setzte, wäre schon viel gewonnen - hier wie sowieso! 

 

 

 

Forts. s. 30.08.2019

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